Traust Du Dich … bis ganz nach oben? Klettern ist mehr als nur ein Sport

Vor Anspannung brennen die Muskeln in meinen Unterarmen, das Herz klopft mir bis zum Hals und ich merke, wie meine Hände feucht werden. Plötzlich scheint die Luft sehr dünn: Es geht einfach weder vor noch zurück, aber wahrscheinlich sehr bald nach unten. “Links oben ist der Nächste. Du musst einfach nur loslassen und Dich hochdrücken!” ruft meine Freundin mir von unten zu. Vor vielleicht zehn Minuten war sie selbst elegant wie eine Katze, von einem pinken Kunststoffgriff zum nächsten, die Wand hinaufgeturnt. Ich hingegen hänge inzwischen eher wie ein Faultier auf halber Strecke. Gut sechs Meter Luft zwischen mir und dem Boden will ich nur noch dorthin zurück …

…und schwöre mir insgeheim: Nie wieder an die Kletterwand!

Doch ein paar Tipps “vom unten” später und ich schaffe es, mich aus der für mich zuvor ausweglosen Lage zu befreien – mit einer für meine Anfängerkenntnisse tatsächlich überraschend technischen Bewegung! Ich klemme mich mit dem Rücken in die Ecke und drücke was zuvor Faultier war mit dem Handballen nach oben. Was für ein Hochgefühl! Das Adrenalin jagt mir noch durch die Adern und die pure Freude über meinen Erfolg trägt mich zügig bis zum letzten Griff dieser für alle anderen in der Halle “leichten” 5er Route. Dort oben angekommen fühle ich mich wie der König, oder eben die Königin, der Welt! Alle Angst und Anstrengung ist vergessen. Mich hat das Kletterfieber gepackt!

 

So sieht das dann bei den Profis aus - meine Freundin an der Wand
So sieht das dann bei den Profis aus – meine Freundin am Überhang

Laut rufe ich nach unten: “Zu!” Wie mir erklärt worden war, das Kommando an meinen Kletterpartner, dass Sicherungsgerät zu blockieren. Nach der Antwort “Ist zu!” von unten setze ich mich zum ersten Mal ganz ohne mulmiges Gefühl, dafür mit viel Euphorie im Bauch ins Seil, stoße mich mit den Füßen von der Wand ab. Ganz langsam lässt mich mein Kletterpartner, ebenfalls Anfänger wie ich, nach unten und ich blicke nicht mehr zu Boden sondern viel lieber nach oben, wo mein ganz persönliches Gipfelkreuz zurück bleibt. Nach der dritten Kletterroute an diesem Nachmittag weiß ich, dass ich diesen einen besonderen Moment da oben einfach wieder (und wieder) erleben will.

“Wie ich dann doch noch an die Wand gekommen bin? Durch die anderen Kletterer! Klettern ist einfach ein unglaublich sozialer Sport.”

Gut zwei Stunden vor meiner Epipahnie auf der pinken Route hatte meine Freundin mich und meinen Kletterpartner sorgfältig eingewiesen. Denn eines ist klar: Auch wenn Klettern in der Halle mit der richtigen Ausrüstung an sich als eine der sichersten Sportarten überhaupt gelten darf, ist und bleibt es lebensgefährlich, in über zehn Metern über dem Boden auf oft nur daumengroßen Kunststofftritten zu balancieren. Die Verkettung mehrerer kleiner Fehler kann fatale Folgen haben, weshalb neben hochwertigem Material vor allem die richtige Anleitung für diese Sportart wichtig ist. Wer also Anfänger ist oder das Klettern bisher vielleicht nur ein, zwei Mal ausprobieren konnte, für den sind “Schnupper-” oder “Einsteigerkurs” genau das richtige.

Nordwand Erfurt
Die Nordwand Erfurt

Sicher Klettern: Richtige Anleitung ist Pflicht

Einen solchen Einsteigerkurs durchlaufe ich an diesem Nachmittag in der “Nordwand Erfurt“. Wer nicht ganz so viel Zeit hat, kann sich auch erst einmal mit einem “Schnupperkurs” mit der Kletterei vertraut machen. Dort bekommst Du dann in zwei Stunden alles gezeigt, um nach ein wenig mehr Übung möglichst bald im Team auch selbständig an die Wand zu gehen. Für einen solchen “Schnupperkurs”, aber auch den “Einsteiger-” oder auch “Top-Rope-Kurs” brauchst Du auch nichts weiter mitzubringen als bequeme Sportkleidung. Selbst die Schuhe können  zu Hause bleiben, denn in normalen Turnschuhen klettert es sich nicht allzu gut. Es gibt spezielle Kletterschuhe, die extrem enganliegend und mit Sohlen mit hoher Reibung ideal sind, um dem Fuß an der Wand Halt zu geben. Wen das Kletterfieber dann so richtig erwischt hat, der sollte allerdings darüber nachdenken, sich auch bald eigene Kletterschuhe zu besorgen, die sich dem eigenen Fuß nach und nach anpassen können. Am besten lässt Du Dich dabei vom Spezialausrüster beraten. Die restliche Anfängerausrüstung, Klettergurt und Sicherungsgerät, kann dann auch erstmal in der Kletterhalle geliehen werden, denn das Kletterseil ist für die Anfänger bei den so genannten “Top Rope”-Routen so und so bereits fest angebracht.

Sicherung Klettern
Halbautomat – Sicherung und Karabiner

Top-Rope – Vorstieg – Bouldern – Wo ist der (Kletter-) Unterschied?

Bis Du allerdings ganz ohne das “Top-Rope” klettern kannst, wie das dann auch meist beim Outdoor-Klettern der Fall ist, gehen doch einige Stunden Kletterübung ins Land. Beim so genannten “Vorstieg” nimmst Du entlang der Route das eigene Sicherungsseil mit nach oben, indem Du Dich in regelmäßigen Abständen in den in der Wand eingeschraubten Haken einklinkst. Dann wird erstmal frei nach oben weitergeklettert bis zum nächsten Haken. Deshalb fällt der Kletterer bei einem Fehler im “Vorstieg” um einiges tiefer als mit einem “Top-Rope”, dass über seine Verankerung oben an der Wand vom Kletterpartner unten ja immer brav nachgezogen werden kann. Auf den unteren Metern bis zum ersten Haken gibt es im “Vorstieg” noch dazu gar keine Sicherung, außer das “Spotting”, die helfende Hand des Kletterpartners. Nicht ohne Grund bieten die Kletterhallen deshalb heute auch den “Vorstiegsschein” (eingeführt vom Deutschen Alpenverein) als Folgekurs zum “Top-Rope-Kurs” an.

Bouldern - kein Anfänger-Sport
Bouldern – tolles Training für die “große” Wand

Nun klingt mein Bericht ja so, als hätte ich mich todesmutig ins Abenteuer Klettern gestürzt. Dabei war ich vom Klettern an der Wand zunächst gar nicht besonders besonders begeistert! Bei den ein, zwei Versuchen in der Halle und draußen vor einigen Jahren hatte sich mein Respekt vor der Höhe nach und nach in einen gedanklichen Mühlstein verwandelt, der mich an der Wand unweigerlich nach unten zog. Viel sympathischer fand ich da schon das “Bouldern”, dass ich in meiner Zeit in Kanada in den Boulder-Hallen vor Ort ausprobierte. Ohne Sicherung und Seil kannst Du Dich an die ersten Routen wagen und kommst dabei nicht höher als einige Meter. Unten gibt Dir dabei eine dicke Weichbodenmatte ein vermeintlich sicheres Gefühl.

Wer allerdings glaubt, “Bouldern” sei einfacher als das Klettern an der Wand, der irrt gewaltig! An dieser niedrigen, dafür aber umso längeren Wand wird vor allem Technik und Kraft, insbesondere am Überhang trainiert. Ist die Route geschafft, fehlt dann dem Anfänger (also mir) meist die Kraft, um die Route ruhig und sicher wieder abzuklettern (übrigens eine tolle Übung, um Kraft und Koordination zu verbessern,) und es bleibt nur der Sprung nach unten, was für Bänder und Gelenke ein gewisses Verletzungsrisiko birgt. Toll sind dann die Hallen, die, wie zum Beispiel die Nordwand Erfurt, Teile ihres Boulderbereichs mit einem Ausstieg am Ende der Routen bestücken. Da nehme ich dann oben angekommen einfach die Treppe nach unten!

Kletter’ über Dich selbst hinaus! So bin ich (wieder) an die Wand gekommen

Viele haben tatsächlich Angst, oder zumindest ein mulmiges Gefühl, vor und vor allem während des Kletterns. Dass das jedoch kein Grund ist, es nicht zu versuchen, oder allzu leicht aufzugeben, habe ich jetzt begriffen. Klettern ist eben nicht nur irgendein Sport: Wie beim Surfen ist ganz klar, dass Du zwar nicht ständig in Lebensgefahr schwebst, Dir der Gefahren dennoch immer bewusst sein solltest. Deshalb gehört ein gewisser Respekt, manchmal auch Furcht vor der Herausforderung dazu. Selbst die Erfahrensten müssen sich dieser Furcht immer wieder stellen und Grenzen antesten – denn genau das macht die Herausforderung, aber auch den Reiz dieses Sportes aus. Allzusehr hatte ich mich auf das klopfende Herzen, zu wenig auf das Glücksgefühl, konzentriert.

Und wie bin ich dann trotz meiner Vorbehalte doch (wieder) an die Wand gekommen? Durch die anderen Kletterer! Klettern ist einfach eine unglaublich soziale Beschäftigung. Schließlich geht es dabei immer auch um  Sich-Verlassen-Können: Etwas, dass vielen von uns mit zunehmendem Alter wirklich schwer fällt. Bis auf wenige Ausnahmen bist Du immer auf Deinen Kletterpartner und euer gegenseitiges Vertrauen angewiesen. Klettern ist deshalb auch dem Bergsteigen, vielleicht auch noch dem Segeln verwandt, denn hier muss eine Hand in die andere gehen und jeder Griff sitzen. Umso schöner ist es deshalb, dass die meisten der anderen Kletterer die Begeisterung für Ihren Sport mit Dir teilen wollen und Dich dann schlichtweg anstecken: Trotz meiner Unsicherheit und manch völlig irrationaler Ausrede (“ich kann nicht klettern, wenn Du zuguckst!”), waren alte und neue Freude den ganzen Tag über bereit, mir alles in Ruhe zu erklären, mir neue Herausforderungen zu stellen und immer wieder Mut zu machen. Bis zu dem Moment, in dem der Mut dann wieder zu mir zurückkam – auf gut sechs Metern Höhe an zwei pinken Klettergriffen.

Vielen Dank an das Team und die Kletterer der Nordwand Erfurt!

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Was ist die Nordwand? Mehr Infos zum Klettern und der Halle in Erfurt

Schon bei der Einweihung der Nordwand Erfurt im Frühling 2014 hatten mich die gigantischen Ausmaße  der Kletterhalle staunen lassen: Mit einer Wandhöhe von elf bis dreizehn Metern ist an den Wänden verdammt viel Platz für die so genannten “Routen”, also ein durch eine bestimmte Farbe der Griffe vorgegebener “Weg” nach oben. Beim Klettern dürfen dann nur die Griffe dieser einen Farbe benutzt werden. Das hat natürlich den Sinn, immer wieder neue Bewegungen zu üben und Herausforderungen in der Halle meistern zu können. Diese Wege haben dann auch, für mich schmerzlich spürbar, unterschiedliche Schweirigkeitsgrade, von 3 (da kommt jeder irgendwie hoch) bis 10 (da kommt dann kaum einer mehr hoch). 120 Stück dieser Routen sind es in der Erfurter Kletterhalle an der Zahl und regelmäßig werden neue Routen geschraubt. Außerdem gibt es natürlich den riesigen Boulderberich und eine separate Kinderkletterwand. Neben den oben beschriebenen Kursen werden auch spezielle Technik- und Jugendkurse angeboten. Geklettert werden kann in der Halle jeden Tag und auch bei der Suche nach einem Kletterpartner sind Dir die Jungs der Nordwand Erfurt gerne behilflich!

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         Der Blog für Work-a-Hippies und solche, die es werden wollen.

2 thoughts on “Traust Du Dich … bis ganz nach oben? Klettern ist mehr als nur ein Sport”

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