Frankfurt, Kairo , Sana’a – Donnerstag den 30. November 2006
Ahlan wa Sahlan, also Herzlich Willkommen, hieß es gestern Nach hier für mich in Sanaa. Bereits vor Abreise ist klar – so wie New York wird das nicht, aber ganz und gar nicht. Und entsprechend beginnt das Abenteuer schon am Frankfurter Flughafen. Mein Gepäck losgeworden, steuere ich die Passkontrolle vor Halle B an. Dort starten neben allen Flügen auf die arabische Halbinsel auch die nach Teheran und Deli. So fragt mich dann der freundliche deutsche Beamte: “Wo soll’s denn hingehen? Reisen Sie etwa allein?” Die Frage hat mir kurz zuvor der Gepäckkontrolleur auch schon gestellt. Deshalb bin ich kurz angebunden: “Jemen! Und ich geh da freiwillig hin!” Der Beamte schüttelt nur den Kopf und damit ist dann wohl alles geklärt.
Von November 2006 bis April 2007 lebt Miriam nahe der Altstadt von Sana’a. Als Praktikantin für die deutsche Botschaft hat sie das Glück, weite Teile des Landes bereisen zu können. Regelmäßig berichtet sie ihren Freunden und Familie in der Heimat von ihren einzigartigen Begegnungen und Erlebnissen. Die Beiträge dieser Reihe sind ihre persönliche „Feldpost“ über eine unvergessliche Zeit im „glücklichen Arabien“ – Arabia Felix.
Von Frankfurt nach Kairo
Air Egypt erweist sich als äußerst positive Überraschung: Außerhalb der Ferien nur zwei Reihen Deutsche an Bord, der Rest glückliche Heimkehrer nach Ägypten. Das Essen ist wirklich lecker und ständig wird Tee nachgeschenkt. Selbst in der Holzkistenklasse gibt es Zeitungen, Bonbons und Nüsschen. (British Airways schneidet Euch mal `ne Scheibe ab!) In Kairo angekommen wird es wieder spannend. Ich hatte in Frankfurt die Info bekommen, dass mein Gepäck nicht durchgecheckt werden würde. Ist dann aber alles halb so wild! Bei nur etwa 10 Umsteigern in unserem Flieger, ich die einzige Frau, nehmen sich die Beamten besonders viel Zeit, um alles gewichtig und korrekt auszufüllen. (Schnell bemerkt, jeder der irgendwas unterschreiben darf oder durchwinken ist gleich Geschäftsführer oder zumindest Vize.)
Ab jetzt in zwei Welten: Eine für Frauen, eine für Männer
Der Flughafen Kairo ist in dieser Nacht richtig leer: Nur etwa 30 Leute für den Flug nach Sanaa warten geduldig in der Abflughalle. Als es endlich losgeht bemerke ich natürlich nicht die doppelte Schlange und stelle mich bei den Männern zur Kontrolle an. Zwei jemenitische Ehefrauen haben sich – ma’scha allah, also Gott sei’s gedankt, – auch falsch eingereiht und ich wechsle zu den weiblichen Beamten an der Sicherheitskontrolle. Und dann winkt mir eine junge Frau mit offenen Locken und Jeans aus der Frauenschlange zu. Sarah, 29 aus Australien. Sie hat gerade ihren Doktor in Politikwissenschaften abgeschlossen (über jemenitische Politik) und lebt schon längere Zeit im Jemen. Dort will sie jetzt auch eine feste Anstellung finden. [Heute steht Sarah G. Philipps Monographie „Yemen and the Politics of Permanent Crisis“ in meinem Bücherregal. Sie ist inzwischen Professorin an der University of Sydney] Sarah wohnt direkt bei mir um die Ecke und scheint jeden in Sana’a zu kennen (einschließlich dem Leiter meiner Sprachschule, den sie gerade in New York getroffen hatte). Im Flugzeug setzen wir uns, da ja alles leer ist, nebeneinander und schon habe ich nicht mehr ganz so viel Sorge vor dem Unbekannten.
Masch Muschkila – Alles kein Problem?
Auf dem Flug erzählt mir Sarah von ihrem Leben im Jemen: Mit dem Dabaab (dem Kleinbus) in der Stadt unterwegs, ab Mittags die Qat-Ruhe (was genau das bedeutet, dazu später mehr) und natürlich Waffenverbot in der Hauptstadt! Das meiste von ihrem Alltag scheint noch so unwirklich.
Nach einem echt arabischen Roadmovie gehen wir in den Landeanflug über Sana’a: Wie eine leuchtende Insel liegt die Hauptstadt des Jemen in einem Meer der Finsternis…
Wider Erwarten ist mein Gepäck angekommen! (wieder ein Seitenhieb auf British Airways, da mein Gepäck aus New York drei Monate zuvor ja einen Tag später am Big Apple ankam als ich) Den Zollbeamten verstehe ich zuerst ganz und gar nicht – ganz im Gegensatz zu seinem Kollegen. Kommt also drauf an, wie sehr mein Gegenüber sich für die Zugereisten bemüht, langsam und deutlich zu sprechen.
Die Lichter der Stadt schweben wie ferne Galaxien über uns
Ab jetzt bin ich wahrhaftig im englischfreien Gebiet: Auch mein Fahrer Muhammad (wie sollte er auch sonst heißen) begrüßt mich zwar mit „Hello, how are you?“, wechselt dann aber ins Arabische. Jetzt muss ich mich doch trauen, den Mund aufzumachen. Ich denke an Sarahs Empfehlung und bitte ihn auf dem Weg (es ist halb drei Uhr Nachts, nicht zu vergessen) doch eine kleine Schleife in die Stadt zu fahren, über das Bab Al-Yemen, das Tor des Jemen. “Masch muschkila, masch muschkila!” (kein Problem, kein Problem!), versichert er mir. Und schon holpern wir durch die dunklen Straßen. Was für ein Anblick! Zwischen den sechziger Jahre Tankstellen und dem Straßenstaub erhebt sich Sana‘as Altstadt wie aus tausend und einer Nacht. Über mir wölbt sich das erhabene Bab Al-Yemen, durch das Reisende seit 400 Jahren die Stadt betreten. Viele der bunten Oberlichter der Lehmhäuser sind bunt erleuchtet und die Lichter schweben wie ferne Galaxien über uns.
Am Ende unserer Fahrt halten wir auch genau vor einem solchen Gebäude. Schwere Holztüren, dunkle Deckenbalken. Innen weißes Mauerwerk, außen Lehmziegel, in den Ecken und um die Fenster weiße Arabesken-Muster und natürlich die bunten Halbmond-Oberlichter über allen Fenstern. Zu meinem Zimmer steigen wir in den vierten Stock hinauf und mein Fenster blickt Richtung Altstadt, die imposanten Berge im Hintergrund.
Mit neuen Freunden wider der Angst vor der eigenen Courage
Nach einer kurzen, kalten Nacht (ich schlafe unter meinem Mantel) ist mir dann doch wieder sehr mulmig zu Mute. Verantwortlicher ist keiner da, es ist ja Wochenende. Ein wenig mutlos suche ich die Küche. Dort stellt sich mir Catherine vor. Doch wie sich schnell herausfinde, eigentlich Katharina aus Bern (die Schweizer sind eben doch überall!). Sie teilt ihren Kaffee und ein Marmeladenbrot zum Frühstück mit mir und alles ist gleich viel besser. Gemeinsam wandern wir zur Wechselstube (Umgerechnet liegt der Euro derzeit bei 256 Jemenitischen Rial) und dann ein ganzes Stück Fußweg zum Supermarkt. Dort gibt es wirklich alles zu kaufen – allerdings nur für die Superreichen im Land. Ein kleines Stück Emmentaler kostet fast so viel wie in Deutschland, knapp 300 Rial. Im Vergleich: Ein frisches Brot von der Straßenbäckerei kostet 30 Rial.
Das erste Mal ganz anders sein, als alle anderen
Und dann geht es weiter zum Suuq, also dem Markt in der Altstadt. Unfassbar, dass solche wundersamen Häuser einfach so herumstehen und auch Menschen darin wohnen! Alles sieht aus wie ein Museum oder vielleicht auch ein Filmset – vielleicht so, als würde man in Deutschland in der Wartburg wohnen. Im Übrigen wurden wir bislang nicht entführt und wir wurden weniger angesprochen, als auf einem Markt in Ägypten. Ein etwas dickeres Fell braucht es allerdings trotzdem bei all den „Bakschisch, Bakschisch!“-Rufen der Kinder.
Wirklich unfreundlich ist niemand zu uns, aber mir wird schnell klar, wie fremd wir beide hier wirken. Sobald wir um die Ecke biegen, drehen sich alle nach uns um. Natürlich mit Kopftuch und allem drum und dran! Doch macht das keinen Unterschied ob mit oder ohne, wir sind einfach anders. Das gilt auch für die Frauen, von denen wir unter dem schwarzen Schleier nur die Augen sehen. Meine ersten Versuche zu handeln, gehen ordentlich daneben. Ich will mir eine Decke kaufen, denn Nachts ist es empfindlich kühl. Als sich der Händler und ich auf einen Preis einigen, wird schnell klar, dass meine Aussprache hier mehr schlecht als recht funktioniert. Statt “alfwasaba’ami’aten”, 1700 Rial, versteht mein Gegenüber “alfeinwasaba’ami’aten”, 2700 Rial. Ich gebe auf und ziehe ohne Decke ab.
Die Telefonnummer der Sprachschule kenne ich leider noch nicht, aber ihr könnt mir auf meine deutsche Nummer eine SMS senden. Die Mailbox ist aus Sicherheitsgründen (so der Telefonanbieter!) allerdings nicht abrufbar. Internet habe ich hier im Haus, wo genau, das wird sich noch rausstellen. Gleich werde ich mit Katharina noch einmal losziehen, um vielleicht doch noch eine Decke zu ergattern. Was man alles in einem Tag so erleben kann!
Bis dahin,
und ma’a salaama, Friede mit Euch
Eure Miriam
Arabia Felix – Auf der Suche nach dem glücklichen Arabien
Ich hoffe, dass meine Geschichten aus 1000 und einer Nacht diesem magischen Ort und seinen damals glücklichen Menschen die Tür auch in eure Herzen öffnen. Und wenn euch der Fortsetzungsroman Freude macht, dann freue ich mich über eure Spende – ein kleiner Beitrag dazu, dass die Kinder des Jemen vielleicht eines Tages wieder im glücklichen Arabien leben können.
Hier kannst Du direkt an UNICEF für Kinder im Jemen spenden.
41 Euro ermöglichen eine Lebensrettende Therapie mit Erdnusspaste für ein Kind;
134 Euro bezahlen 50 Kanister für je 20 Liter Trinkwasser;
Jeder Euro zählt.
وبارك الله لكم – wa barak allahu lakom! Gottes Segen mit Euch!
Wieso eine Zeitreise? Alles über die neue Reihe „Feldpost Jemen“ – mit Doyoudare auf Zeitreise in ein magisches Land
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