taxi at night

Nachts in Kuala Lumpur – Unterwegs in den Schatten der malaysischen Metropole

Der folgende Beitrag ist Teil der Gastautorenreihe “Traust Du Dich?” auf doyoudare.de

von Patricia Jane

Es ist 3.00 nachts, als unser Bus die Hauptstadt von Malaysia erreicht. Pudu Raya nennt sich die Station im Herzen von Kuala Lumpur. Die Metropole schläft auch zu dieser Zeit nicht.

Sie schlummert mit einem halbgeschlossenen Auge.

Ich balanciere zwischen Wach- und Traumzustand, als wir aussteigen. Meine Bekannte kann sich vor Müdigkeit kaum auf den Beinen halten. Sie merkt gar nicht, wie eine Gruppe Männer von hinten an sie herantritt.

»Ina, pass auf…«, rufe ich ihr zu. Meine letzten Worte werden von englischen Wortfetzen übertönt.

»Taxi? Hotel?«, die Männer wittern ein leichtes Geschäft. Sie umschwirren uns, wie Motten das Licht. Ich frage nach einem günstigen Hostel in der Nähe.

Ohne einen Ringgit in Kuala Lumpur

Der Dominanteste aus der Gruppe, ein Inder mit langem Bart, tritt hervor. Er erklärt uns, dass er uns fahren muss, da sich hier keine Hotels und Herbergen befänden. Die Blicke meiner Bekannten zeigen, dass sie lieber auf der Bank der Bushaltestelle schlafen würde, als in seinen Wagen zu steigen.

»Ich habe keine Ringgit«, murmelt Ina. Ich auch nicht. Wir haben es in aller Eile nicht geschafft, unser Geld in malaysische Währung umzutauschen. Der Fahrer will keine thailändischen Baht. Ina will partout nicht mit ihm reden und ich will einfach schlafen.

Ich weiß nicht, wie viel Zeit verstrichen ist, bis wir uns endlich einigen. Der Fahrer bietet uns an, uns in ein nahes Hostel zu fahren. Doch dazu brauchen wir Ringgit.

Wir steuern den nächsten Supermarkt an. Meistens findet man dort Bankautomaten.

Mit einem resignierten Seufzer lese ich das ‘Out of Order’-Schild. Auch im anliegenden Schnellimbiss kann uns niemand weiterhelfen. Ich frage mich, wie spät es wohl ist und ob es sich überhaupt noch lohnt, in dieser Nacht noch schlafen zu gehen.

Sie wittern mit uns ein „leichtes Geschäft“

Wir stehen wieder am Anfang. Auf dem Asphalt einer Millionenstadt, umgeben von Taxifahrern, die immer noch ein gutes Geschäft in uns sehen. »Was machen wir jetzt?« Ina wird immer ungeduldiger. »Gute Frage.« Ich habe keine Ahnung.

»I can take you to a good bank.« Der Fahrer zwirbelt seinen Bart.

»Wir sollten es einfach machen.«, sage ich nach kurzem Zögern. Was haben wir schon zu verlieren.

»Ich traue ihm nicht.« Ina mustert ihn kritisch. »Er könnte uns überall hin fahren. Du kennst doch diese Horrorgeschichten.«

»Vielleicht sollten wir es einfach versuchen.« Meine Müdigkeit siegt über meinen Verstand. »Es wird schon.«

Ich muss Ina fast ins Taxi schieben. Doch schließlich sitzen wir im Wagen und betrachten des nächtliche Kuala Lumpur. Ich würde den imposanten Wolkenkratzern gerne mehr Beachtung schenken, aber ich habe ein seltsames Gefühl.

Zwielichtige Gestalten in Häuserschluchten

Der Wagen hält zwischen zwei Hochhäusern.

»Go to the bank.«, fordert der Fahrer uns auf.

»Ich bleibe hier.« Inas Finger krampfen sich um ihr Smartphone. »Siehst du diese Leute da draußen?«

Ich folge ihrem Blick. Mir sind diese Gestalten auch noch nicht aufgefallen. Sie verschmelzen mit den Schatten.

»Be careful.« Der Bärtige dreht sich zu uns um. »Crazy people. Lots of drugs and guns. Go quick.«

Ich schlucke. Zwei Männer lauern direkt vor dem Eingang der Bank. Einer von ihnen schläft. Der andere kauert auf der Treppe. Meine Finger umfassen unschlüssig den Türgriff.

»Nein.« Ina hält mich am Ellenbogen fest.

»Ich gehe ganz schnell hinein und hole Geld.« Ich weiß selbst nicht, was ich gerade vorhabe. Jetzt oder nie.

Ich laufe über den Gehweg und sprinte die Treppen hoch. Im grell beleuchteten Innenraum der Bank fühle ich mich wie leichte Beute. Wieviele zwielichtige Wesen lauern da draußen noch?

In Eile gebe ich den Code ein. Mein Blick wandert immer wieder nach draußen.

Die Automaten funktionieren nicht

Error.

Der verflixte Automat funktioniert nicht.

Ich versuche es mit dem nächsten. Die Sekunden vergehen viel zu langsam. Der Weg zum Taxi kommt mir von hier oben viel zu weit vor.

Ein weiterer Schatten taucht aus dem Nichts auf und jagt eisige Schauer über meinen Nacken. Von der schwülen Hitze ist auf einmal nichts mehr zu spüren. Endlich reagiert der Geldautomat. Ich zähle jede Sekunde. Schnell verstaue ich das Geld in meinem Portemonnaie und begebe mich nach draußen.

Die Männer haben sich nicht von der Stelle gerührt. Ich halte Ausschau nach weiteren Gestalten.

Noch drei Meter bis zum Wagen. Gleich bin ich da.

Auf einmal ertönt ein Knall.

Mein Herzschlage setzt aus. Ich renne die letzten Meter und stürze ins Auto.

»Dangerous place«, meint der Fahrer mit einem Lächeln. Als ob es das Natürlichste der Welt wäre »Red area for you.«

Ein weiterer Knall ertönt. Dann noch einer.

Das Auto fährt viel zu langsam. Endlich werden die Geräusche langsam leiser.

»Das ist also Kuala Lumpur.«, Inas Stimme ist ein heiseres Krächzen. Es ist das nächtliche Gesicht der Millionenstadt und ich frage mich, wie es wohl bei Tage aussehen wird.

motor bikes

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Mehr über Patricia erfahrt ihr in ihrem Autorenprofil und auf ihrer Website!

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1 thought on “Nachts in Kuala Lumpur – Unterwegs in den Schatten der malaysischen Metropole”

  1. super geschrieben! ich kann mir bildlich vorstellen wie das für dich / euch war in KL. Mir war die riesen Stadt damals bei meiner mehrmonatigen Reise 2013 auch nicht ganz geheuer…sogar unter tags. ich hoffe ihr konntet dann trotzdem die nächsten tage noch genießen – wie ging die route dann weiter?

    liebe grüße, isa

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